Erste Hilfe bei Unterkühlung im Survival - der ultimative Praxisleitfaden
- vor 2 Tagen
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Unterkühlung (Hypothermie) zählt im Outdoor- und Survivalbereich zu den größten lebensbedrohlichen Gefahren. Tiefe Temperaturen sind häufig der Hauptgrund für den Wärmeverlust des Körpers. Unterkühlung kann jedoch auch außerhalb eisiger Umgebung, wie oben auf dem Mount Everest, auftreten, bedarf keiner frostigen Temperaturen oder gar der Jahreszeit Winter. Ganz im Gegenteil! Jeder kann beim Stranden in der Wildnis sogar im Sommer Opfer davon werden, in der tief gelegenen Lüneburger Heide sowie im Mittelgebirge Schwarzwald. Minusgrade sind dafür nicht erforderlich, wenn verschiedene Negativfaktoren zusammenkommen. Viele Menschen unterschätzen die scheinbar harmlosen Parameter wie Wind und Feuchtigkeit: Dabei ist Wind ein Killer, denn er verstärkt den Wärmeverlust erheblich. So entspricht eine Temperatur von 5 °C bei 60 km/h Wind einer gefühlten Temperatur von etwa –1,8 °C. Anders gesagt: Plusgrade werden zu Minusgraden. Und jeder weiß, dass es einen Unterschied macht, ob man 5 °C oder nahezu –2 °C empfindet. Dazu kommen dann meist noch Feuchtigkeit oder Nässe. Feuchte oder nasse Kleidung oder das Eintauchen in kaltes Wasser beschleunigen die Abkühlung drastisch. Im eiskalten Wasser kann die Körperkerntemperatur um 5–10 °C alle zehn Minuten sinken.
Die oberste Überlebenspriorität besteht daher darin, den Körper in einer kalten Umgebung wirksam vor Wärmeverlust zu schützen. Besonders heimtückisch ist, dass eine Unterkühlung häufig unerwartet auftritt, wie etwa durch plötzliche Wetterumschwünge oder Unfälle. Das geschieht dann meist in abgelegenen Gebieten, in denen schnelle Hilfe nicht verfügbar ist. Oft entsteht sie zudem als Folge anderer Probleme wie Erschöpfung, Verletzungen oder Nässe.
Dieser Beitrag stützt sich auf meine persönlichen Erfahrungen mit Unterkühlungen, den Austausch mit Bergmedizinern, spezielle Fortbildungen, militärische Feldhandbücher, Erkenntnisse aus der führenden norwegischen Hypothermieforschung sowie auf dokumentierte Überlebensberichte.
Bitte beachten: Hier geht es um Unterkühlungsbehandlung unter extremen Bedingungen – in der Wildnis, ohne Rettungsdienst, ohne medizinische Ausrüstung.

Symptome und Stadien der Unterkühlung
In Survival-Situationen sind vor allem die sichtbaren Symptome einer Unterkühlung entscheidend. Eine milde Hypothermie (Körperkerntemperatur 32–35 °C) äußert sich zunächst durch Zittern, das noch willentlich unterdrückt werden kann. Hinzu kommen typische Anzeichen wie Unsicherheit beim Gehen, ungeschickte Bewegungen, verwaschene Sprache und Reizbarkeit. Betroffene bleiben zwar bei Bewusstsein, zeigen aber bereits erste Gedächtnisstörungen und eingeschränktes Urteilsvermögen – ein Zustand, der in rauer Umgebung schnell zu Verletzungen oder Lebensgefahr führen kann.
Ein realistisches Beispiel: Eine schlecht ausgerüstete Familie gerät im Hochgebirge in einen plötzlichen Wetterumschwung. Die Temperatur fällt rapide, und innerhalb kurzer Zeit sind sie eingeschneit. Wahrscheinlich trifft die Unterkühlung zuerst die Kinder und die Mutter, da sie meist eine geringere Körpermasse und weniger Wärmereserven haben. Dadurch wird das Urteilsvermögen beeinträchtigt – die Mutter erkennt womöglich den Ernst der Lage nicht mehr. Sie könnte die beginnenden Erfrierungen an den Füßen der Kinder übersehen und nicht angemessen reagieren.
Mit fortschreitender Unterkühlung verschlechtert sich auch die Gefahreneinschätzung. Was zuvor selbstverständlich war – etwa auf den schmalen Pfaden über Grate besonders vorsichtig zu gehen – wird zunehmend vernachlässigt. Risikobewusstsein und Vorsicht schwinden, und Fehlentscheidungen beim weiteren Vorgehen sind häufig die Folge.
Ein weiteres typisches Symptom ist der verstärkte Harndrang durch die kältebedingte Gefäßverengung, was einen zusätzlichen Flüssigkeitsverlust verursacht. Gleichzeitig verbraucht das Kältezittern enorme Energiemengen – Reserven, die in einer länger andauernden Überlebenssituation über Leben und Tod entscheiden können. In dieser Phase kann schließlich die sogenannte Kälteidiotie einsetzen – ein Zustand, in dem rationales Denken und Handeln kaum mehr möglich sind.
Bei moderater Hypothermie (28–32 °C Körperkerntemperatur) versagt die Thermoregulation des Körpers zunehmend. Das Zittern wird unkontrollierbar und hört typischerweise bei 30–32 °C vollständig auf, was keineswegs ein Indikator für die Verbesserung der Situation der betroffenen Person ist. Oft kann eine Person nicht mehr gehen, zeigt schwere Verwirrung und Rückzugsverhalten auf. Auch Halluzinationen können dadurch ausgelöst werden. Pupillenerweiterung tritt auf und meistens ist der Puls am Handgelenk schon nicht mehr fühlbar. In diesem Stadium kommt dann noch ein weiteres Verhaltensmuster dazu, welches häufig zu einem tödlichen Ausgang führt, weil es ein unkontrollierter Gamechanger für die Situation ist: Paradoxes Entkleiden.
Schwere Hypothermie (unter 28°C Körperkerntemperatur) zeigt sich durch Bewusstlosigkeit ohne Zittern. Die Muskulatur wird starr, die Haut bläulich und geschwollen. Terminal Burrowing tritt typischerweise in diesem Stadium auf, wenn überhaupt noch Bewegung möglich ist. Bei bewusstlosen Patienten mit noch vorhandenem Puls muss mit einem Herzschlag von nur 2-3 Schlägen pro Minute gerechnet werden.
Stadium (ungefähre Kerntemperatur) | Zustand & Symptome |
Milde Hypothermie (Stadium I: ~35–32 °C) | Zittern, Stolpern, Tapsigkeit, undeutliche Sprache, Reizbarkeit, beschleunigter Puls |
Moderate Hypothermie (Stadium II: ~32–28 °C) | Zittern lässt nach, Benommenheit oder Apathie setzt ein, Halluzinationen möglich. Rückzugsverhalten, unsicheres Gehen, Taumeln und Tapsigkeit treten auf sowie paradoxes Entkleiden! |
Schwere Hypothermie (Stadium III: ~28–24 °C) | Extreme Verhaltensauffälligkeiten, Bewusstlosigkeit unter ~28 °C, keine Muskelreaktion. Sehr flache Atmung (nur wenige Atemzüge pro Minute) und extrem verlangsamter Puls, akute Lebensgefahr. |
Tod (Stadium IV: <24 °C) | Scheintod – es besteht aber unter Umständen noch eine Überlebenschance durch Reanimation und Wiedererwärmung, danach klinischer Tod. |
Kälteidiotie
Der Begriff Kälteidiotie beschreibt den Zustand mentaler Verwirrung und irrationalen Verhaltens, wenn die Körperkerntemperatur kritisch sinkt. Betroffene können ihre eigene gefährliche Lage nicht mehr erkennen, treffen nicht nachvollziehbare und unlogische Überlebensentscheidungen und können Hilfe von anderen aggressiv verweigern. Sie sind unfähig zur Selbstrettung und müssen unter Umständen gegen ihren Willen geschützt werden. Wichtig: Eine Person mit Kälteidiotie ist absolut hilflos und darf nicht alleine gelassen werden.
Paradoxes Entkleiden und Terminal Burrowing: Die tödlichen Endphasen
Vielen ist dieses Phänomen nicht bekannt – das paradoxe Entkleiden. Hier ziehen sich Menschen, die sich im fortgeschrittenen Stadium der Unterkühlung befinden, splitternackt aus. Das ist ein häufig tödliches Phänomen, welches gemäß Studien [3] bei 25 - 70% aller Hypothermietodesfälle auftrat. Gruselig daran ist, dass das Ablegen der Bekleidung in Mustern erfolgt: Erst werden Schuhe und Hosen ausgezogen, dann alles, was den Oberkörper abdeckt. Alkohol begünstigt übrigens nachgewiesen stark das paradoxe Entkleiden.
"Terminal Burrowing“, auch "Hide-and-Die-Syndrom" genannt, tritt bei etwa 20 % der Hypothermietodesfälle auf. Hier "verstecken" sich die Personen wie ein Tier, das zum Sterben Schutz sucht. Die Opfer werden immer in dafür charakteristischen Umgebungen gefunden, wie beispielsweise in Laubhaufen, zwischen Felsen oder in Hecken.
Erste Hilfe bei Unterkühlung: Das Überlebensprotokoll
Die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen sind anzuwenden, wenn eine stark unterkühlte Person nicht in absehbarer Zeit professionelle Hilfe erhalten kann und keine medizinische Infrastruktur in der Umgebung vorhanden ist. Es handelt sich dabei um reine Notfallmaßnahmen. In jedem Fall gilt: Die Kälteeinwirkung muss sofort beendet werden – die betroffene Person ist umgehend vor weiterer Kälte zu schützen und zu isolieren.
Bei milder Hypothermie besteht die erste und wichtigste Maßnahme darin, den Wärmeverlust sofort zu stoppen. Zunächst muss ein Schutz vor Wind und Niederschlag geschaffen werden – etwa durch einen Poncho, eine Plane, ein Zelt oder einen natürlichen Witterungsschutz in der Natur wie Felsvorsprünge usw. Idealerweise wird zusätzlich ein Feuer entfacht, um die Umgebungstemperatur zu erhöhen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Die unterkühlte Person darf nicht zu nah an das Feuer gebracht werden, da eine zu schnelle Erwärmung lebensgefährlich sein kann.
Nachdem der Witterungsschutz hergestellt wurde, muss unbedingt eine Isolierung gegen die Bodenkälte erfolgen. Der beste Windschutz oder die stärkste Feuerwärme nützen nichts, wenn sich die betroffene Person auf kaltem Untergrund befindet. Die Bodenkälte entzieht dem Körper schon in kurzer Zeit enorme Wärmemengen. In der Praxis kann man in der Wildnis eine einfache Isolationsschicht aus Laub, Ästen oder Kleidung anlegen. Improvisation ist gefragt und oft sind es die einfachen Dinge, die schon viel Wirkung zeigen: Auch ein Rucksack, auf dem die Person sitzen kann, bietet bereits wertvolle Isolation.
Nasse Kleidung sollte schnellstmöglich entfernt und durch trockene ersetzt werden – jedoch erst, wenn die Person an einem geschützten, wärmeren Ort untergebracht ist. Schon kleine Maßnahmen, wie das Aufsetzen einer Woll- oder Fleecemütze, können spürbar helfen, da gerade über den Kopf viel Körperwärme verloren geht.
Für eine zusätzliche Wärmezufuhr können im Feuer erhitzte Steine verwendet werden. Diese werden in ein feuerfestes Tuch gewickelt und vorsichtig auf die Brust oder den Rücken gelegt. Sie dürfen dabei nicht zu heiß sein, um Verbrennungen zu vermeiden. In einer gut ausgestatteten Survival-Ausrüstung für kalte Regionen sollte sich immer eine selbstheizende Rettungs- oder Heaterdecke* befinden. Diese gibt über chemische Reaktionen über mehrere Stunden eine gleichmäßige Wärme von etwa 40 °C ab und ist in allen Stadien einer Unterkühlung sehr empfehlenswert.
Falls vorhanden, sollte der betroffenen Person ein warmes, süßes Getränk (z. B. gezuckerter Tee) sowie energiereiche Nahrung wie Energieriegel angeboten werden. Beides unterstützt die körpereigene Wärmeproduktion von innen.
Wichtig ist außerdem die körperliche Schonung: Jegliche Anstrengung ist zu vermeiden. Die Person sollte mindestens 30 Minuten in sitzender oder liegender Position ruhen, bevor sie sich wieder bewegt oder aufsteht.
Im Stadium der moderaten Hypothermie besteht das Problem, dass die betroffene Person in der Regel nicht mehr aktiv an der Wiedererwärmung mitwirken kann. Sie ist häufig stark verwirrt, apathisch oder teilnahmslos und benötigt daher aktive Hilfe. Im Vordergrund steht ein vorsichtiges, kontrolliertes Aufwärmen. Alle Bewegungen an der Person sind konsequent zu vermeiden, da sie das Risiko eines Herzstillstands deutlich erhöhen.
Grundsätzlich gelten alle Maßnahmen aus dem vorherigen Stadium, jedoch ohne körperliche Aktivität. Die Wiedererwärmung muss langsam und überlegt erfolgen, wobei die Isolierung gegen Kälte oberste Priorität hat. Besonders wichtig ist die Abschirmung gegen Bodenkälte – etwa durch Schaumstoffmatten, Äste, Laub, Rucksäcke oder Kleidungsschichten. Die Person sollte liegend gelagert und vollständig in eine Kälteschutzhülle eingebettet werden.
Dazu legt man sie in trockener Kleidung auf eine isolierende Unterlage, umhüllt sie mit einer Rettungsdecke, darüber mit einem Schlafsack oder einer warmen Decke, und schützt das Ganze von außen mit einer Plane oder einem ähnlichen Windschutz. Aktive Wärmequellen sind jetzt entscheidend: In Tücher gewickelte, warme Steine oder Wärmflaschen werden an den Rumpf gelegt, jedoch nicht an kalte Gliedmaßen, um die Wärme gezielt zum Körperkern zu leiten. Wenn möglich, kann sich eine weitere Person dazulegen – Körperwärme unterstützt die Wiedererwärmung effektiv.
Puls und Atmung sollten regelmäßig kontrolliert werden, und Helfer müssen auf einen möglichen Herzstillstand vorbereitet sein, um bei Bedarf sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen zu können.
Bei milder bis moderater Hypothermie kommt es oftmals vor, dass sich die betroffene Person einnässt. Das mindert die Isolationswirkung der Kleidung erheblich. In solchen Fällen kann in abgelegenen Gebieten das Anlegen einer improvisierten „Plastikwindel“ sinnvoll sein, um die Wärmeisolierung zu erhalten und Feuchtigkeit von der Haut fernzuhalten.
Es ist zu beachten, dass die Wiedererwärmung auf eine normale Körpertemperatur von über 35 °C viele Stunden dauern kann. Sobald die Person wieder genügend Bewusstsein erlangt, kann sie selbst zur Erwärmung beitragen – etwa durch das Trinken warmer Flüssigkeiten, durch Körperkontakt oder leichtes Bewegen im Schlafsack. Sicherheit hat jedoch oberste Priorität: Die Person sollte erst dann wieder aufstehen oder gehen, wenn sie eindeutig wach, orientiert und ausreichend aufgewärmt ist. Andernfalls sollte sie besser liegend transportiert werden.
Bei einer schweren Hypothermie muss die betroffene Person so behutsam behandelt werden, als wäre sie aus Glas – jede falsche Bewegung kann lebensgefährlich sein. Eine schwer unterkühlte, bewusstlose Person stellt eine enorme Herausforderung dar, insbesondere fernab medizinischer Einrichtungen. Sie befindet sich in akuter Lebensgefahr, und Fehler in der Behandlung können den Tod der Person herbeiführen. Diese Tatsache muss jedem Helfer bewusst sein.
Die Person ist grundsätzlich in horizontaler, also liegender Position zu lagern. Jede unnötige Bewegung ist zu vermeiden. Wenn möglich, sollte sofort Hilfe angefordert werden. Die gleichen Schutz- und Isolationsmaßnahmen wie bei moderater Hypothermie sind anzuwenden – jedoch mit absoluter Vorsicht und sanftem Umgang.
Atmung und Puls müssen sorgfältig für mindestens 60 Sekunden überprüft werden, da die Lebenszeichen extrem schwach und unregelmäßig sein können. Eine Person kann bei schwerer Hypothermie nur einen Atemzug alle 30 Sekunden oder einen Puls von lediglich zwei bis drei Schlägen pro Minute haben. Wenn ein Herzstillstand vermutet wird, muss dieser durch eine 60-sekündige Kontrolle der Halsschlagader (Karotispuls) bestätigt werden. Nur wenn in dieser Zeit eindeutig kein Puls festgestellt werden kann, sollte mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden. Die Wiederbelebung erfolgt in angepasster Form: Standard-Brustkompressionen in normaler Frequenz, jedoch mit reduzierter Beatmungsrate – etwa eine Beatmung alle zehn Sekunden. Falls die Herzmassage unterbrochen werden muss, sollten jeweils fünf Minuten Kompressionen durchgeführt und die Pausen auf maximal fünf Minuten begrenzt werden.
Kritische Behandlungsfehler, die töten
Der sogenannte Afterdrop bezeichnet einen gefährlichen Temperaturkollaps, der während der Wiedererwärmung eines unterkühlten Menschen auftreten kann. Dabei gelangt kaltes Blut aus den zuvor ausgekühlten Extremitäten zurück zum Körperkern, wodurch die Kerntemperatur weiter absinkt – im schlimmsten Fall bis zum Herzstillstand.
Die häufigste Ursache ist eine unüberlegte Wiedererwärmung der Arme und Beine. Obwohl diese Maßnahmen gut gemeint sind, führen sie oft genau zum Gegenteil des Gewünschten. Grundsätzlich gilt daher: Nur der Oberkörper, also der Torsobereich, darf aktiv und langsam erwärmt werden. Die Wärme soll sich von dort aus allmählich in die Extremitäten ausbreiten – ein Prozess, welcher mehrere Stunden dauern kann.

Eine bewährte Methode hierfür ist die sogenannte Hibler-Wärmepackung. Dabei wird ein saugfähiges Tuch oder ein Textil (Jacke usw.) in etwa 40 °C warmes Wasser getränkt, anschließend in eine Tüte oder eine Rettungsdecke eingeschlagen und auf Brust und Bauch des Betroffenen gelegt. Danach wird die Person in Decken oder eine Isolationshülle eingewickelt, um Herz und Lunge gezielt von außen zu erwärmen. Arme und Beine dürfen dabei bewusst nicht mit eingewickelt werden, um einen gefährlichen Wiedererwärmungsschock durch zurückströmendes Kaltblut zu vermeiden. Diese Anwendung sollte mehrfach wiederholt werden, bis sich der Zustand des Patienten stabilisiert.
In meinem Spezialkurs „Winter Survival Kurs“ vermittle ich den sicheren Umgang mit Unterkühlung, die richtige Durchführung solcher Maßnahmen sowie präventive Strategien, um Unterkühlung möglichst zu vermeiden.
Ein weiteres, oft unterschätztes Risiko ist der sogenannte Bergungstod. Er tritt auf, wenn eine stark unterkühlte Person durch Bewegung oder Transport zusätzlich belastet wird. Beispiele aus der Praxis sind das Aufstehenlassen nach einer Rettung aus eiskaltem Wasser, ruckartige Bewegungen beim Tragen, Stürze der Helfer oder auch scheinbar harmlose Handlungen wie das Ausziehen nasser Kleidung. Durch diese Bewegungen wird das kalte Blut aus den Gliedmaßen in den Körperkern gedrückt – mit potenziell tödlicher Folge. Deshalb sollte nasse Kleidung, wenn möglich, nicht durch Bewegung, sondern vorsichtig durch Aufschneiden entfernt werden.
Unterkühlte Personen müssen immer liegend gelagert werden. Beim Anheben ist äußerste Vorsicht geboten – der Körper sollte nur langsam bewegt werden, und der Oberkörper darf niemals tiefer liegen als die Beine.
Der Konsum von Alkohol ist strengstens untersagt. Alkohol erweitert die Blutgefäße, beschleunigt den Wärmeverlust, täuscht ein falsches Wärmegefühl vor und erhöht damit die Lebensgefahr erheblich.
Schlüsselprinzipien für das Überleben
Für Menschen, die sich mit Survival Training befassen, ist das Wissen um Erste-Hilfe bei Unterkühlung lebenswichtig. Hypothermie kann jeden treffen, der draußen unterwegs ist – sei es durch einen Sturz ins Wasser, unerwartete Wetterveränderungen oder Erschöpfung. Es ist mit der Unterkühlung wie mit allen Sachen, die Gesundheit und Leben bedrohen: Prävention ist der Schlüssel zum Erfolg! Natürlich ist mir auch klar, dass nicht alles, was ich vorschlage, in einer Überlebenssituation umgesetzt werden kann. Jedoch sollte so viel wie möglich beherzigt werden. Dazu gehört, dass man darauf achtet, dass die Bekleidung trocken bleibt (nasse Kleidung verliert 90 % Isolationswert), energiereiches isst, konstant trinkt, eine Mütze trägt und sich vor dem Wind schützt. Entscheidend ist, dass man Touren und Aufenthalte immer gut vorbereitet und doppelt absichert: Die richtige Ausrüstung (wetterfeste Kleidung, Biwaksack, Rettungsdecke) gehört in jeden Rucksack, und Wissen über die ersten Symptome der Unterkühlung hilft, erst gar nicht in eine lebensgefährliche Hypothermie zu geraten.
Und nicht zuletzt: Niemals vorschnell aufgeben. Selbst wenn eine unterkühlte Person scheinbar leblos wirkt, kann die Kälte ein wertvolles Zeitfenster eröffnen, das über Leben und Tod entscheidet. Es sind zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Menschen nach schwerster Unterkühlung wieder ins Leben zurückkehrten – allein, weil die Retter beharrlich und ohne Unterbrechung weitergearbeitet haben.
Wichtig ist zu wissen: Bei Hypothermie kann ein Herzstillstand auch nach Beginn der Wiederbelebung noch umgekehrt werden. Es gibt belegte Beispiele erfolgreicher Reanimationen, die über viele Stunden andauerten, die durch die schützende Wirkung der Kälte auf den Körper möglich waren.
Zusammenfassend gilt: Bei schwerer Unterkühlung sollte jede sinnvolle Maßnahme ergriffen werden, um das Leben des Betroffenen zu erhalten. Kälte kann, so paradox es klingt, auch Schutz bieten. Das Gehirn benötigt bei einer Körperkerntemperatur von etwa 18 °C nur rund ein Zehntel des normalen Sauerstoffbedarfs und kann daher einen Herzstillstand deutlich länger überstehen. Diese „Eisschlaf“-Eigenschaft hat schon viele Menschen gerettet. Der wichtigste Grundsatz lautet deshalb: Niemand ist tot, solange er nicht warm und tot ist. Das bedeutet anders gesagt: Eine Person ist erst tot, wenn sie wieder auferwärmt ist, aber dann trotzdem keine Lebenszeichen zeigt.
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[2] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8470111/ [3] https://link.springer.com/article/10.1007/BF01245483
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Vielen Dank! Ein wirklich wichtiges Thema, mit dem ich mich noch nicht wirklich mit beschäftigt habe. Natürlich wie man es selbst vermeidet, aber explizit, wie man sich verhält, wenn es jemand anderen trifft, ist wirklich gut zu wissen.
Sehr gut zusammengestellt! Darüber denken viele nur wenig nach.
Perfekt zu der kommenden Jahreszeit